Heute lasse ich mich treiben. Vom Stefferl aus Richtung Eisdiele am Schwedenplatz. Der Weg führt mich an der üppigen Griechisch-Orthodoxen Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit am Fleischmarkt vorbei. Architekt ist Theophil von Hansen - der selbige, der auch den Umbau des Rappoltenkirchner Schlosses geplant hat. Diese Kirchgemeinde vertritt alle Griechisch-Orthodoxen, die aus dem ehemaligen Gebiet der kk Monarchie stammen. Insbesondere also aus Österreich/Ungarn sowie vom restlichen Mitteleuropa. Im Eingang finden sich auf Schrifttafeln die Namen derer Mitglieder, die sich um die Gemeinde verdient machten. Viele davon kenne ich aus meinen bisherigen Recherchen. Lange unterhalte ich mich - oder besser versuche ich mich im Gespräch - mit dem anwesenden Diakon. Er stammt aus der Ukraine, musste natürlich erst mal Griechisch lernen und versucht sich nun zögerlich in der deutschen Sprache. Er ist froh um ein Gegenüber. Und ich erfahre noch so einiges.
Im Gegensatz dazu steht die Griechisch-Orientalische Kirchgemeinde St. Georg am Hafnersteig eher für die Griechisch-Orthodoxen aus dem seinerzeitigen Osmanischen Reich. Sie ist ein ganzes Stück (gute 70 Jahre) älter. Zu jener Zeit waren "Die Griechen" noch nicht offiziell anerkannt und mussten sich daher "unauffälliger" verhalten. Entsprechend wurde das Äussere von St. Georg vorerst wie ein Wohnhaus gestaltet (beispielsweise ohne die eigentlich wichtige goldene Kuppel, die erst später aufgesetzt wurde) und nur die Eingeweihten wussten, dass hier eine Kirche stand. Kurz: auch wenn die beiden Kirchen gerade mal 50 Meter auseinander liegen und erst noch von der gleichen Glaubensgemeinschaft (wenn auch zwei verschiedenen Gemeinden) stammen, ist ihr Kontext und das damit verknüpfte Aussehen ein völlig anderes.
Jetzt habe ich mir aber meinen Topfen-Eis-Palatschinken mit Erdbeermark und Eierlikör sowie einen Espresso dazu redlich verdient. Beim Geniessen kommt mir eine gute Idee als Kontrapunkt für den Nachmittag. Die goldene Kuppel bringt mich drauf. Wie wäre es denn mit der Kirche am Steinhof? Einem der bedeutendsten Bauwerke des Wiener Art Decos. Gebaut nach Plänen von Otto Wagner, dem wichtigsten österreichischen Architekten (und seines Zeichens auch Stadtplaner von Wien) des Fin de Siècle und der Belle Epoque. Das Kirchengebäude befindet sich auf dem Gelände des "Zentrums Baumgartner Höhe" (heute "Klinik Penzing"), das ebenfalls von Otto Wagner im Jugendstil gehalten wurde.