Der Zentralfriedhof in Wien fasziniert. Einerseits wegen seiner schieren Grösse: 2,5 Quadratkilometer, 330'000 Gräber, 3 Millionen Begrabene. Und es hat immer noch viel Platz. Anderseits natürlich, weil hier eine Menge Berühmtheiten ihre letzte Ruhestätte gefunden hat. Von der Anlage her habe ich aber schon schöner gestaltete Friedhöfe gesehen. Der ältere Teil wird wieder von der Natur in Besitz genommen und überwuchert zusehends. Im neueren Teil steht einfach Grab an Grab. Eine Spezialität dabei: die thematische Ordnung. Z.B. Ehrengräber, Berühmtheiten, Wiener Strassenzüge, Wiener Familienzweige, jüdischer Teil, Griechisch-Orthodoxe usw.. So ist es auch für mich relativ einfach, das Familiengrab der Ypsilantis zu finden. Was mir wirklich gut gefällt sind all die Jugendstil-Gebäude auf dem Gelände - unter anderem die Kirche, das Bestattungsmuseum sowie die meisten Hallen.
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Zentralfriedhof war gestern. Heute hat es mir die Lobau angetan. Ein Teil der Wiener Donau-Auen. Und von vielen Wiener Barden besungen ("Drunt in der Lobau..."). Wie auch als "Dschungel Wiens" bekannt. Eine geheimnisvolle Welt mit vielen seltenen Pflanzen und Tieren. Und unzähligen versteckten Plätzchen für Liebespaare oder FKK-Badende. Wahrzeichen des Nationalparks ist der Eisvogel - "Fliegender Edelstein" genannt. Bald schon merke ich, dass die Auen sich weit herum erstrecken. Und es wohl besser gewesen wäre, das Rad mitzunehmen anstatt sich per pedes fortzubewegen. Ich beschränke mich also auf eine kleine 2-stündige Rundwanderung. Und erhole mich anschliessend auf der Donauinsel in Tonis Inselgrill. Bei Cevapcici und Bier.
Abends will ich zum Heurigen. Zu Maly. Da gibt es noch echte Wiener Schrammeln. An vielen Orten in Wien spielen heute ja Musiker aus dem Osten. Nichts gegen sie. Die Ungaren, Tschechen, Slowaken oder auch Russen sind ausgezeichnete Violinisten oder Akkordeonisten. Aber Wiener Lieder können sie halt einfach nicht singen. Da fehlt ihnen die Sprache. Natürlich auch das Wiener Herzblut. Und sie sind nicht mit diesen Liedern voll von Melancholie, Wehmut und Liebe zum "echten Wien" gross geworden. Im Gegensatz zu mir. Ich will damit nicht behaupten, ich sei ein wahrer Wiener. Aber meine Mutter war Sängerin und ihre liebsten Lieder stammten aus Operetten oder aus Wien. So sog ich in der Kindheit nebst der Muttermilch viele dieser Lieder in mich auf. Entsprechend hoch ist auch ihre Bedeutung für mich. Und ich kann kaum die Tränen zurückhalten, wie die Musiker dann an meinem Tisch sitzen, mit mir Wienerlied für Wienerlied singen - und zum Schluss noch "Mei Muatterl war ne Weanerin" anstimmen. Das geht tief hinein und löst ganz viele Erinnerungen aus. Vielen Dank, ihr Musiker. Ihr habt mir einen schönen Abend bereitet.