08 May
08May

Wie üblich ziehe ich am Ende einer Reise Bilanz. Wobei es sich diesmal nicht um eine "gewöhnliche" Reise handelt, sondern um meinen ersten Versuch, die kalte Jahreszeit in einem warmen "Winterquartier" zu verbringen. Deshalb auch gleich zu Beginn meine Bemerkungen zum Klima. Von dem ich ehrlich gesagt eher leicht enttäuscht bin. Aufgrund all dessen, was ich im Vorlauf dazu gelesen habe, verspricht es mehr als es hält. Natürlich bewegten sich die Temperaturen mindestens in einem um 10 Grad höheren Bereich als hier. Aber wer jetzt einfach viel Sonne erwartet, wird desillusioniert. Das Barometer steht quasi permanent auf "wechselhaft". Und verschiebt sich jeweilen nur leicht Richtung "Sonne" oder auch "Regen". Und Wechsel können sehr schnell passieren. Sodass innerhalb eines Tages ganz verschiedene Wettersituationen zum Zuge kommen. Es gibt denn auch nur selten durchgehend "schöne" oder auch "Regen"-Tage. Geschweige denn eine mehrere Tage anhaltende Wetterlage. Vorteil: Fast jeden Tag strahlt auch mal die Sonne! Nachteil: Man muss sich immer im Zwiebelsystem anziehen. Denn man weiss ja nie.

Alles in allem ist Madeira eine relativ "Kleine Welt". Die Insel misst 60km in der Länge und 30km in der Breite. Bietet aber viel Abwechslung auf kleinem Raum. Immerhin finden sich darauf Berge von bis zu 1900m Höhe. Was einem schon eine Vorstellung vom meist steilen Gelände gibt. Flachere Landstriche gibt es nur ganz im Osten oder Westen. Sowie auf den 4 Nebeninseln: Porto Santo und den 3 Ilhas Desertas. Wie letzterer Name schon erahnen lässt, herrschen auf den Nebeninseln Wüstengebiete vor. Dafür finden sich dort auch die einzigen natürlichen Sandstrände. Madeira selber bietet meist nur "groben Sand". Sprich Kiesel oder gar Bollensteine. Als Ersatz gibt es im Norden die Piscinas Naturais - ins Meer und den Tuffstein hinein gebaute Badebecken. Den Beinamen "Blumeninsel" führt Madeira zu Recht. Überall leuchten Tausende von Blumen und Blüten. Und jeden Tag kann man in dieser Richtung etwas Neues entdecken. Viel Natur auch sonst. 20% von Madeira sind mit Lorbeerwald bedeckt. 10% nimmt der Stechginster ein. Der hauptsächlich auf der Hochebene von Paul da Serra wächst.

In dieser prächtigen Natur kann man auch herrlich wandern. Vor allem entlang den Levadas - den künstlich angelegten Wasserkanälen. Aber auch nebst der Natur - wozu natürlich auch die jeden Tag wieder neuen Sonnenauf- und -untergänge sowie die vor allem in Funchal grosszügig angelegten Parks zählen - gibt es viele mögliche Erlebnisse. In den Bereichen Kunst, Kultur, Geschichte, Folklore - oder auch Madeira-Typisches wie eine Fahrt mit dem Korbschlitten von Monte nach Funchal. Leider hat mir in diesem Zusammenhang Covid einen tüchtigen Strich durch die Rechnung gemacht. Alle angesagten grossen Feste - wie Weihnachten, Neujahr, Karneval, Kar-Prozessionen, Blumenfest - fanden nicht oder nur beschränkt statt. Auch die drei Leute, die mich besuchen wollten, fanden den Weg nach Madeira nicht. Vor allem deshalb, weil sie bei ihrer Rückkehr ins Heimatland eine Quarantäne hätten einhalten müssen. Und auch aufgrund der unsicheren Flugsituation von und nach Madeira. Die ja auch mich 2 Monate über die geplante Zeit hinaus auf der Insel festhielt.

Über alles gesehen war aber mein 6-monatiger Aufenthalt dennoch äusserst reichhaltig. Viel Anteil daran trugen die Casa Sisse - mein Wintersitz - und ihr Vermieter Töger. Beide ein Segen. In "meinem" Häuschen fühlte ich mich von Anfang an wohl. Es war zwar nicht perfekt, aber sehr gemütlich. Cosy würde der Engländer sagen. An einer schönen Lage, mit viel Platz. Sowie alles da, was man so braucht. Und fehlte dennoch mal etwas, schleppte es Töger sofort an. Als kleine Zugabe gehörte zur Hausmiete ein Auto. Alt zwar, eine "Klapperkiste", die mich aber meist zuverlässig von A nach B brachte. Mit zwei kleinen Aussetzern, die schnell behoben waren. Ein Klacks auf 3'500km. Auch Töger war ein besonderer Mensch. Man hat es schon mitbekommen: herzlich, hilfsbereit, zuvorkommend. Und ein intelligenter, humorvoller Gesprächspartner. Zum Schluss weit mehr als ein Vermieter. Ein Freund. Mit 3 Hunden, die mich schnell ins Herz geschlossen haben. Sascha - die alte Hausdame, die leider im Verlauf dieses Halbjahres verstorben ist -, Tito und Tata. Sowie Tögers Freund*Innen. Die mich im Sinne von "Deine Freunde sind auch meine Freunde" schnell ins Geschehen einbanden. Susana, Toni (Antonia), Lou, Alina, Sandra, Fatima, Renata, Liane, Leana, Chico, Norbert, Alberto. Vielen Dank für alles, was ihr mir gegeben habt.

Zum Schluss noch ein kleines Wort zu Essen und Trinken. Schliesslich geht Wohlsein durchaus auch durch den Magen. Meist habe ich ja selber gekocht. Und sehr von der Riesenauswahl an Früchten und Wein sowie von günstigem Fleisch, Fisch und Krustentieren profitiert. So viele T-Bones, Lamm wie Ente in allen Variationen und Hirsch-Filets habe ich schon länger nicht mehr genossen. Schön gestaltete sich aber auch das auswärts essen. Vor allem deshalb, weil mich Kenner der Szene an Orte schleppten, die ich selber sicher nie gefunden hätte. Oder bei denen ich umgekehrt wäre. Weil sie von aussen wenig "anmächelig" wirkten. Aber genau diesen Geheimtipps habe ich viel gutes Essen aus frischer Küche zum kleinen Preis zu verdanken. Ganz im Gegensatz zu den vielen Touristen-Fallen, die mittelmässiges bis mediokres Essen zum deftigen Preis anbieten. Ein grosses Merci den Tipp-Geber*Innen wie den Köch*Innen. Einziger kleiner Wermutstropfen bleibt der Madeirawein. Auch nach 6 Monaten zählt diese typische Spezialität immer noch nicht zu meinen Lieblingen. Höchstens ein kleines Gläschen Verdelho (halbtrocken) zum Apero oder zu einer Süssspeise. Anstelle eines trockenen Sherrys.

Auch zuhause ist es wieder schön!


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