Mein Rückflugticket ist bestätigt. Am 1. Mai (2021!). 10.15 Uhr ab Funchal. Ankunft 15 Uhr in Zürich.
Nachdem die SWISS-Hotline ihren Laden den ganzen Februar durch dicht machte und ich die Stornierung meines Fluges vom 27. März aus dem Internet erfahren musste, hänge ich mich heute früh natürlich als erstes ans Telefon. Wobei ich erstaunlich gut durchkomme. Einzig die deutsch sprechenden Berater*innen scheinen bei SWISS rar zu sein. Also akzeptiere ich auch jemanden, der englisch spricht. Was sich als Hindernisrennen erweist. Ich habe das Gefühl, in einen Kursus für Schwerhörige geraten zu sein. Die Dame drückt sich zwar gefühlt ganz passabel aus. Tönt aber, als wäre sie in Timbuktu, der Mongolei oder sonstwo weit weg zuhause. Entsprechend verstehe ich sie miserabel. Naja, nach gegenseitigem Anschreien kommen wir irgendwie doch noch zurande. Auf jeden Fall bestätigt das Mail, das ich bereits eine Viertelstunde später erhalte, alle getroffenen Vereinbarungen. So, wie auch ich sie im Kopf - und sicherheitshalber auch notiert - habe.
Nach der getanen Schwerstarbeit will ich den heutigen Prachtstag für einen Ausflug nutzen. Mit 21 Grad ist er zwar nicht besonders warm. Gefühlt wegen des kühlen Nordostwindes sowieso nicht. Aber der strahlend blaue Himmel wiegt das auf. Ich entscheide mich für Porto da Cruz im Nordosten der Insel. Sowie im Vorbeiweg für Santa Cruz im Südosten. Die Namens-Verwandtschaft hat es mir angetan. Anziehungspunkt in Porto da Cruz ist die Companhia dos Engenhos do Norte. Eine der drei übrig gebliebenen Zuckerrohrfabriken von Madeira. Die wie aus den Anfängen der Industrialisierung wirkt. Mit altertümlichen Maschinen. Die aber immer noch produzieren. Die Gebäude stammen von 1927, die Maschinen sind noch älter. Hochbetrieb herrscht hier nur zwischen April und Juni. Wenn das Zuckerrohr geerntet wird. Dann stehen die LKW's in langen Kolonnen vor der Laderampe. Das Rohr wird abgeladen, von den Blättern befreit, gehäckselt und anschliessend in mehreren Durchgängen gepresst. Heraus kommt trüber Zuckerrohrsaft, der direkt weiterverarbeitet wird. Zu den verschiedenen Arten von Aguardente (Weisser "junger" Rum - auch Branca genannt -, bis 74 Volumenprozent, in Stahlfässern gelagert) und Fassrum (min. 3 Jahre in Eichenfässern gelagert, 37,5 bis 55%). Die Maschinen werden nicht mehr abgestellt. Sie arbeiten Tag und Nacht durch. Diese drei Sch....fabrikchen in Madeira stellen so mehr als ein Viertel des weltweit produzierten "Rhum agricole" her. Rhum agricole heisst übrigens der Rum, der aus der Verarbeitung von frischem Zuckerrohrsaft gewonnen wird. Während der Rhum traditionnel oder industriel Melasse als Basis verwendet. Deshalb gilt der "agricole" - der gesamthaft nur etwa 3% der Rum-Weltproduktion ausmacht - auch als "König der Rums". Gleich neben der Fabrik steht eine Probierstube. Dort werden neben einer grossen Auswahl an Rums (nach Alter, Geschmacksrichtung - erzielt durch verschiedene Fasslagerung -, Mischung usw.) auch Ponchas zur Degustation angeboten. Dessen klassische Mischung aus Weissem Rum, Honig, Limetten- und Orangensaft besteht. Heute ergänzt um viele Varianten mit weiteren Früchten oder Kräutern.
Santa Cruz ist eine Kleinstadt mit hübschem Ortskern und langer Geschichte. Im Südosten. Ganz in der Nähe des Flughafens. Das Städtchen hat sich einen altertümlichen Charme bewahrt. In den sorgfältig gepflasterten Gassen sind einfache Bars und Cafés angesiedelt, wo man meist Einheimische trifft. Touristen und Besucher flanieren lieber über die Uferpromenade. Wie überall ist auch hier nicht viel los.
Übrigens: gestern bin ich beim Stöbern im Büchergestell über ein Buch gestolpert. Das von den Pflanzen und Blumen Madeiras handelt. Faszinierend. Darin sind 454 Blumen und Blüten dokumentiert, die auf Madeira anzutreffen sind. Darunter 88 endemische - also ausschliesslich auf Madeira vorkommende - sowie 53 Arten, die nur in Makronesien blühen. Also in Madeira, den Azoren, den Kanaren, den Kapverden und all deren kleinen Nebeninseln. Dann habe ich gelesen, dass hier 6 Arten von Mimosen wachsen, die tatsächlich von Januar bis April blühen. Wie auch, dass die Ginsterblüte von Februar bis Juli stattfindet. Ich habe also nicht geträumt. Seinerzeit in Santo da Serra.