Blauer Himmel. Knall Sonne. Klares Programm: nach einem frühen Mittagessen gleich los! Je nach Wetter-Entwicklung an die Westspitze von Madeira nach Porto Moniz oder dann an die Ostspitze nach São Lourenço. Bis und mit frühem Essen klappt alles bestens. Aber schon beim Espresso zieht sich der Himmel zu. Gegen Westen dräuen Wolken. Richtung Osten sieht es nicht viel besser aus. Was nun, Mario? Weite Fahrten machen wenig Sinn. Bleiben die Fajã dos Padres. Der Tropische Garten der Jesuiten unter der riesigen Steilwand in der Nähe von Cabo Girão. Das schon herausgelegte T-Shirt verschwindet wieder in der Kommode. Der Kapuzen-Hoodie ist doch passender. Und los gehts.
Fajã heisst eigentlich Schärpe. Und wird sinnbildlich verwendet für lange schmale flache Landstücke, die sich entlang der Meeresküste gebildet haben. Einer Küste, die sonst eher senkrecht ins Meer fällt. Dos Padres heisst dieser Abschnitt, weil er fast 200 Jahre im Besitz der Jesuiten war. Die hier Malvasia-Reben (Malvoisie, Pinot Gris) anpflanzten. Und daraus Süssweine produzierten, deren Ruf weit in die Welt hinaus gelangte. Der Zugang zur Fajã dos Padres erfolgte lange nur über eine abenteuerliche Seilbahn - eigentlich mehr eine Art Schienen-Lift. Heute ersetzt durch eine Schwebebahn, welche die mehrere hundert Meter steile Wand zur Küste in kürzester Zeit überwindet. Und mit der man auch grössere Warenmengen transportieren kann.
Was sich im Verlaufe der Zeit als wichtig erwiesen hat. Denn trotz der Abgeschnittenheit des Ortes lebten hier teilweise gegen 50 Personen. Verteilt auf rund 10 Häuser. Jesuiten wie Siedler, die Landwirtschaft betrieben. Der Weinbau wurde dabei erst vom Zuckerrohr- und dann vom Bananen-Anbau zurückgedrängt. Jeglicher Warentransport hatte auf dem Seewege zu erfolgen, was insbesondere im Winter mit grossen Schwierigkeiten verbunden war. Dies änderte sich erst durch eine umfangreiche Restrukturierung des Besitzes und den Bau der Schwebebahn.
Heute ist die Fajã vergleichbar mit italienischen Agriturismos. Einerseits werden für Touristen Unterkunft, Restauration und Erlebniswelten (hier Badestrand, Wassersport, antiker Weinkeller, Weinbau-Kultur) angeboten. Anderseits wird Ertrag mit modernem ökologischem Landbau erwirtschaftet. Wobei das herrschende Mikroklima den Anbau vieler subtropischer Pflanzenarten begünstigt, die sich sonst nur schwierig auf Madeira behaupten können. Nebst den Malvasia-Weintrauben vor allem Mangos, Bananen und Avocados. Aber auch Papaya, Pitanga, Maracujas, Guave, Feigen, Kaktusfeigen, Cayenne-Kirschen, Litchis sowie Cashewnuss. Dazu kommt ein Gemüse-, Salat- und Kräutergarten, der nebst dem eigenen Restaurant auch mehrere Gaststätten und Hotels der Umgebung versorgt. Schade, dass auch dieses ausgeklügelte - aber sensible - System von den aktuellen Pandemie-Querelen stark betroffen wird. Es fehlt sowohl an Kunden wie Absatz. Beim Espresso auf der Terrasse des Restaurants sind wir jedenfalls nur gerade 2 Gäste. Sogar das Wetter hüllt diese Tatsache in einen melancholischen Nebel.