Die Steine lege ich mir teilweise selber in den Weg. Aber alles von vorn und schön der Reihe nach. Früh morgens um 07.30h holt mich Töger ab. Um 8h muss ich am Flughafen sein (Ursprünglich war der Abflug um 14.10h vorgesehen; wurde neu vorverschoben auf 10.15h). Also aufstehen um 05.30h, duschen, fertig packen, alles aufräumen und reisefertig machen. Auf die Schnelle. Damit noch etwas Zeit für meinen Frühstücks-Tee mit Cigarillo und Handy-Check bleibt. Pünktlich sind wir da. Dank Tögers Beziehungen können wir direkt am Eingang parken und er schleust mich zu einem speziellen Eincheck-Schalter. Eine feine Sache. So reicht es uns noch für ein gemeinsames Rauch-Opfer, bevor wir uns zum Abschied herzlich umarmen. Wir geben der Hoffnung Ausdruck, uns bald wiederzusehen. In Madeira, der Schweiz oder auch in Dänemark. Wenn er seine Verwandten besuchen wird und ich mit dem Wohnwagen hinfahre.
Dann das erste Stolpern. Beim Durchchecken meines Handgepäcks stossen die Zöllner auf mein Nécessaire. Das im Koffer keinen Platz mehr fand. Weshalb ich es in der Eile des Gefechtes einfach in meiner Tragetasche verstaute. Ohne dabei ans Taschenmesser zu denken. Ich sehe schon mein 4. Taschenmesser in den Fängen des Zolls verschwinden (eines blieb bereits in Amsterdam, eines in Perth, das dritte in Livingstone). Aber die Portugiesen sind grosszügig. Sie lassen mich mit einer Verwarnung passieren. Vielen Dank!
Der Flieger ist proppenvoll. Chockablock - wie die Australier sagen. Dicht an dicht. Jeder Platz belegt. Auf dem Flug absolut kein Problem. Die Crew ist effizient. Erst beim Aussteigen kommt der Stolperer. Wegen Corona bittet die Chief-Stewardess, geordnet auszusteigen. Reihe für Reihe. Gerade mal bis zur Reihe 5 gelingt dies relativ gut. Bei meiner Reihe 6 beginnt aber das Gedränge von hinten. Zuckersüss meint eine nicht warten könnende "Dame", ich solle sie doch durchlassen. Es gehe dann sicher schneller. Die Frage ist nur: Für wen? Ich reagiere unwirsch und meine zu ihr: sobald eben von hinten gedrängt würde, entstehe unwillkürlich Stau. Und wohin sie denn so dringlich eilen wolle - zum nächsten Stau an der Gepäckausgabe? Sie gibt Ruhe.
Das Warten an der Gepäckausgabe bin ich mich ja schon gewohnt. In Ruhe lese ich die da aufgehängten Einfuhrbestimmungen. Oh Schreck: bei Alkoholikas mit über 18% Alkoholgehalt darf genau 1 Liter pro Person zollfrei eingeführt werden. Ich habe aber 1 1/2 Flaschen Madeirawein als Geschenke mitgebracht. 0,75 + 0,375 macht nun nach Adam Riese und Eva Zwerg 1,125 Liter! Mist. Daran habe ich nicht gedacht. Mutig mache ich mich auf, durchs grüne Portal zu gehen. "Nichts zu verzollen". Ich weiss von nichts. Mein Name ist Hase. Es geht gut. Wahrscheinlich weil ich so harmlos aussehe.
Am Bahnschalter fragt mich die Beamtin, ob ich ein Ticket mit oder ohne Halbtax-Abo möchte. Ich erkläre ihr, dass ich jetzt ein halbes Jahr in Madeira war und daher über kein solches Ding mehr verfüge. Interessiert an meinem Aufenthalt fragt sie nach und druckt dabei mein Bahnbillett aus. Ich bin zwar etwas erstaunt über einen meiner Meinung nach günstigen Preis. Kontrolliere aber nicht nach und packe einfach alles ein. Erst im Zug, als der Schaffner mein Halbtax-Abo sehen will, verstehe ich, dass dies ein kapitaler Fehler war. Ich erzähle ihm die Geschichte. Was ihn veranlasst, nachsichtig zu sein. Ich muss einfach noch ein halbes Ticket lösen und eine Taxe für das Lösen im Zug abliefern. Die Fahrt kommt mich so Fr. 12.- teurer zu stehen als sie ursprünglich am Schalter gekostet hätte. Dennoch bin ich gut weggekommen. Denn eine Strafe hätte noch zusätzliche Fr. 80.- ausgemacht.
Ich habe extra eine Fahrt nach Sursee über Luzern gewählt. Mit Schrecken erinnere ich mich nämlich noch an das Umsteigen in Olten bei der Hinfahrt. Nur habe ich nicht beachtet, dass hier eine sehr kurze Umsteigezeit von nur 5 Minuten angesagt ist. Da dazu mein Zug mit 1-2 Minuten Verspätung ankommt, beginnt von Neuem eine Umsteige-Hetze. Und auch hier ist der Regionalzug mit alten Waggons bestückt. Nicht niveaugerecht. Bei deren Einstiegen man eine enge Treppe hinaufklettern muss. Was zum Schluss doch noch heisst, Koffer hineinwerfen und ihnen mit letzter Kraft nachhechten. Ein Déja-vu.
In Sursee regnet es in Strömen. Und ist saukalt. Unter 10 Grad. Garstig. Nicht gerade, was ich mir als Empfang nach einer Zeit mit viel Sonne und Wärme gewünscht habe. Dafür steht Käthy, zuverlässig wie eine Schweizer Uhr, mit dem Auto am Bahnhof und bringt mich heim. Ich bin ihr dankbar. Und vorerst glücklich, unbeschadet wieder zuhause angekommen zu sein. Dabei fällt mir plötzlich siedend heiss ein, dass es Samstag ist und ich in meiner Küche absolut nichts zu Essen vorrätig habe. Glücklicherweise gibt es da in der Nähe den Coop in Neuenkirch an der Autobahn. Also nach dem Auspacken der wichtigsten Dinge ab ins Auto und auf zum Einkauf. Nur, das Auto lässt sich nicht mal öffnen. Null Strom. Wir alle haben zwar an den Wohnwagen gedacht. Und Käthy hat diesen alle Monate ein Mal für 24 Stunden ans Stromnetz angeschlossen. Das Auto ging uns aber durch die Latten. Kein Abhängen der Batterie oder alle paar Wochen fahren oder so. Was sich jetzt rächt.
Schön, dass es da noch Georges gibt. Er behält einen kühlen Kopf, öffnet mein Auto mechanisch und bringt ein Schnellladegerät. Was zwar eine Perspektive für morgen öffnet, aber keine kurzzeitige Hilfe. So schnell geht das eben nicht. Für die sofortige Lösung überreicht mir Georges seine Autoschlüssel. "Stell mir das Auto einfach wieder hin und bring mir die Schlüssel hoch." Toll. Im Coop wähle ich einerseits einfach Dinge, die ich brauche. Wie Milch für den Morgentee, Früchte usw.. Und dann Dinge zum Essen, die ich in Madeira vermisst habe: ein gutes Brot (Madeira kennt vor allem Schwamm-Brot), würzigen Schweizer Hartkäse (in Madeira gibt es zwar eine grosse Auswahl an Käse, aber meistens eine Art Schmelzkäse oder was wir als Mutschli kennen) und Ankezieger. Sowie Kalbs-Bratwürste. Wieder zurück futtere ich glücklich und zufrieden Brot, Käse, Zieger und Tomaten. Dazu gibts einen guten Milchkaffee. Fast wie seinerzeit "Kaffee-Znacht" bei Muttern. Ich bin zuhause angekommen. Jetzt noch ein gemütliches heisses Bad. Dann falle ich geschafft und todmüde in mein schönes, breites, noch vor der Abreise frisch bezogenes Bett. Da schläft es wie von selbst bis 9h am nächsten Morgen. Mit Träumen vom letzten ereignisreichen Halbjahr in Madeira.
Erinnerungen!