In der letzten Zeit besuche ich immer öfter das Café do Garajão. Einerseits führen die einen guten italienischen Kaffee. Anderseits schmecken ihre Pregos. Und da gibt es noch Susana. Mit der ich jederzeit ein paar Worte in Deutsch wechseln kann. Wobei der Punkt gekommen ist, wo ich mich frage, ob das noch 2 1/2 Monate lang genau gleich weiter gehen soll. Also "Hola Susana", "Wie geht es dir?", "Schönes Wetter heute" und ähnliches Blabla über Madeira, die Schweiz, Berge und Schnee. Oder ob vielleicht die Sache auch ausbaufähig wäre? Immerhin scheint mir Susana eine interessante Frau zu sein. Die nicht nur ihr Leben aus eigenen Kräften meistert. Sondern auch den Mut aufbrachte, ihr Glück im Ausland zu versuchen. Und die - wie ich vermute - durchaus auch attraktiv ist. Wobei ich sie allerdings bisher immer nur mit Arbeitskleidung und Maske gesehen habe. Um nun einen Schritt vorwärts zu kommen, müssten wir uns als Erstes mal besser kennen lernen. "First things first" - wie der Engländer sagt. Also frage ich sie rund heraus: "Hättest du Lust, mit mir bei Gelegenheit ein Glas trinken zu gehen? Ich würde dich nämlich gerne mal ohne Maske sehen." Überrascht schaut sie mich an, schaut nochmals und meint schlicht: "Ja".
Wir vereinbaren ein Date heute nach ihrem Arbeitsschluss um 16 Uhr. Im hübschen Café neben dem Cristo Rei in Garajão. Einer freien Interpretation des bekannten Monumentes auf dem Zuckerhut in Rio de Janeiro. Ich bin etwas früher da, um mich bei der Statue noch umzuschauen. Und setze mich schon mal auf die Café-Terrasse. Da kommt eine attraktive Frau auf mich zu, so um die 40, chic geschminkt und angezogen. Ich bin platt. Und hätte Susana fast nicht erkannt.
Wir unterhalten uns gute 2 Stunden. Allerdings wird bald einmal klar, dass das mit den zusammenpassenden Gemeinsamkeiten wohl mit Schwierigkeiten verbunden sein dürfte. Gegenseitig. Sie erzählt mir von ihrer Situation als alleinerziehende Mutter eines 13-jährigen Sohnes. Die hier in Madeira zwar nicht gerade "geächtet", aber auch nicht wirklich "geachtet" wird. Eher als so "nicht ganz ehrenwert" gilt. Fast noch wie im Mittelalter. Und dass ihr dadurch überall Steine in den Weg gelegt werden. Was es ihr schwer macht, einen guten Job zu finden. Und dass es ihr langsam Mühe bereitet, immer kämpfen und mit mageren 600 Euro brutto pro Monat (= netto 500!) sich und ihren Sohn durchbringen zu müssen. Um dann noch die Dinge aufs richtige Gleis zu bringen fügt sie nebenbei an, ihr hätte es in der Schweiz gut gefallen und sie würde sehr gerne wieder dahin zurückkehren. Hmmm... Der Berliner würde jetzt wohl meinen: "Nachtigall, ick hör dir trapsen!"
Auf jeden Fall nimmt das Ganze Formen an, die ich unter "Ausbau" sicher nicht verstanden habe. Denn ich suche ja nur jemanden zum reden, eventuell dabei ein bisschen Portugiesisch zu lernen und möglicherweise das eine oder andere in Madeira zu unternehmen. Gemeinsam, damit nicht einsam. Sicher, ich hätte auch nichts dagegen, sollte daraus eine Freundschaft entstehen. Und so könnte ich mir auch den nächsten angesagten Schritt vorstellen - den Beziehungsaufbau. Aber dafür bräuchte es gemeinsame Zeit und gemeinsame Interessen. Welche ich in unserem Gespräch nicht wirklich ausmachen kann. Denn Susana fühlt sich schon genügend strapaziert durch Beruf, Familie (sie hilft noch bei Eltern und Geschwistern aus) und Sohn. Für mich bleibt da wenig Raum. Ich fürchte, aus den Ausbauplänen mit Susana wird daher höchstens wenig. Und wir werden wohl eher "Hola Susana", "Wie geht es dir?" und "Schönes Wetter heute" beibehalten. Auch wenn ich sie wirklich mag.